Amazon ist bei weitem kein Marken-Vernichter

Amazon ist bei weitem kein Marken-Vernichter

Amazon ist bei weitem kein Marken-Vernichter

Neulich habe ich einen Artikel in der New York Times gelesen, in dem es darum ging, wie Amazon zahlreiche Marken vernichten wird. Schuld seien der Suchalgorithmus, Sprachsteuerung oder der Wingardium Leviosa-Zauber. Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen und einem stundenlangen Interview, das ich mit Jeremi Goldman, dem SVP für Werbung bei Amazon USA, in Cannes geführt habe, löste der Artikel einige Überlegungen in mir aus. Kurz gesagt halte ich vieles von dem, was in den Medien über Amazon und seine Eigenmarken geschrieben wird, für übertrieben. Es zeugt von grundlegendem Missverständnis gegenüber Amazon und den Eigenmarken und offenbart eine Reihe von undurchdachten Aussagen zu Themen wie der Rolle von Marken bei Sprachsteuerung oder Amazons Status als Monopol.

Eigenmarken

Amazon ist, zuerst einmal, speziell im Vergleich zu fast allen anderen großflächigen Einzelhändlern, außer Walmart, NICHT besonders erfolgreich mit seinen Eigenmarken. Eigenmarken betragen z. B. 29 % des Absatzes bei Macy's, über 30 % des Absatzes bei Kroger und mehr als 25 % des Absatzes bei Costco – und das sind lediglich Beispiele aus den USA. Amazon wird weiterhin dazulernen. Bei Handelswaren konnten bereits Erfolge verzeichnet werden, doch handelt es sich dabei nur um einen kleinen Teil des Gesamtgeschäfts.

In vielen anderen Märkten (insbesondere im Vereinigten Königreich) sind Eigenmarken viel stärker vertreten als in den USA. Daran hat sich auch nicht wesentlich viel geändert, da bis zu beinahe 10 % des Lebensmittelhandels im Vereinigten Königreich auf Online-Vertrieb umgestiegen ist, wodurch das Vereinigte Königreich nun als (prozentual) zweitgrößter eCommerce-Markt der Welt (nach China) gilt.

Sprachsteuerung und Marke

Scott Galloway von L2 ist ein kluger, engagierter, informierter eCommerce-Kopf und stellt das Batterie-Beispiel, das in dem NYT-Artikel genannt wird, als ein nette Heimindustrie dar, doch ist das ganz und gar nicht, was beim Kauf von Batterien mithilfe von Alexa geschieht.

Sucht man nach Energizer-Batterien, erhält man Energizer-Batterien als Kaufvorschlag. Sucht man nicht danach, hat aber in der Vergangenheit Energizer-Batterien gekauft, erhält man auch wieder Energizer-Batterien als Kaufvorschlag.

Wenn es einem egal ist, ob Energizer oder Duracell und daher auch nicht nach Energizer oder Duracell fragt, geht das Amazon wirklich nichts an – das sind Unzulänglichkeiten auf Seiten von Energizer und Duracell. NIEMAND wird mithilfe von Alexa einkaufen wollen, wenn man zuvor diskutieren muss. Das wird bei Kunden einfach keinen Anklang finden. Amazon ist ein intelligentes Unternehmen – und ist sich dessen bewusst.

Gegenwärtig und in naher Zukunft eignet sich Sprachsteuerung hervorragend zum Kauf von Dingen, die man bereits gekauft hat und erneut kaufen würde – so ist das Einkaufen mittels Sprachsteuerung am einfachsten (eine relativ zeitintensive Art des Einkaufens ggü. dem visuellen Auswählen aus einem vielfältigen Angebot). Sprachsteuerung bzw. das Handy in der Tasche griffbereit zu haben nutzt den Kunden nur dann etwas, wenn sie wissen, was sie kaufen möchten.

Ich würde sogar behaupten, Sprachsteuerung ist das Beste, das der Markenlandschaft passieren hätte können ... Markenhersteller haben jahrelang an einem esoterischen Konzept, wie man Marken ins Gedächtnis brennen kann, gearbeitet – das ist nun die kommerzielle Umsetzung davon.

Monopol/Monopson

Kein Unternehmen mit einem Marktanteil von 4 % ist jemals einem Kartellverfahren zum Opfer gefallen – das ist Amazon vom Einzelhandel der USA geblieben. Und das bei einer Größe, die zu einem Drittel der Größe von Walmart in den USA entspricht.

Aus irgendeinem Grund geht es in dem Artikel um den Preis für den Zugang zu Amazons Daten und welches Hindernis dies für Markenhersteller darstellen kann. Amazon ist aber eindeutig keine Pay-to-Play-Umgebung, da es sich kleine Hersteller nicht leisten können, Kreise um große Hersteller, die auf dieser Plattform mit Freude Aktien kaufen würden, wäre es möglich, zu ziehen. Anteile auf Amazon zu erzielen ist eine Kombination aus sinnvoll eingesetztem Geld und Kompetenz. Es gibt in diesem Artikel z. B. eine Reihe an Kommentaren über Vine-Bewertungen und A/B-Tests zum Vergleich von Preisen, was als „Zeug, das zur Leistung von Amazon zählt“ bezeichnet wird. Und als „Zeug, das jeder auf Amazon machen kann, wenn man weiß, wie es geht und sich die Mühe macht“.

Ich glaube, die eigentliche Herausforderung für Marken bei Amazon besteht darin, dass neue Arbeits- und Denkweisen, wie man seinen Marktwert und seine Marktpenetration steigern kann, sowie neue Kompetenzen erforderlich sind. Große Markenhersteller sind nicht dazu bereit, diese neuen Techniken zu erlernen.

Quelle: Kantar Consulting